Gesundheitserziehung

Der Begriff "Gesundheitserziehung" klingt heutzutage sicherlich etwas verstaubt. Vielleicht verbindet man mit ihm sogar mythische und antiquierte Vorstellungen zum Thema Gesundheit. Häufig wurden in früheren Zeiten gar bestimmte Verhaltensweisen mit dem Risiko körperlicher Versehrtheit verknüpft, nur um einen erzieherischen Punkt zu landen. Der "Struwwelpeter" ist sicherlich ein Paradebeispiel dafür.

Doch egal, wie man das Erlernen von Gesundheit/Krankheit oder die Sensibilisierung für Inhalte zum Thema Gesundheit auch bezeichnen möchte: es ist sicherlich Zeit für eine stärkere "Durchdringung" grundlegender Erkenntnisse zum Thema Gesundheit. Diese Durchdringung folgt einem gesellschaftlichen Gedanken und wird mit dem Begriff der "Gesundheitskompetenz" sicherlich gut abgebildet. Es geht dabei auch um das Vermögen, relevante Inhalte zum Thema Gesundheit ausfindig zu machen, sie filtern und zuletzt natürlich auch anwenden zu können. Der größte Vermögenswert dabei ist die Vermittlung evidenzbasierter Medizin mit einfachen Beispielen. 

Dem entgegen steht, dass gerade zum Thema Gesundheit Wissen eher als persönliche Erfahrung oder sogar als persönliche Meinung transportiert wird. "Eminenz statt Evidenz", sagen Mediziner. Erstaunlicherweise wird diese Entwicklung im Thema Gesundheit nicht so sehr hinterfragt, wie in technischen Fragen. 

Der Erlangung von Gesundheitskompetenz steht ebenfalls entgegen, dass immer mehr Spontanheilungsprozesse der Überdiagnostik und Übertherapie überlassen werden. Die Gesellschaft neigt (und zwar nicht nur in Gesundheitsfragen) immer mehr zu Aktionismus, weil wir es immer weniger aushalten, abzuwarten. Ein klassisches Beispiel der Übertherapie ist die unsachgemäße und nicht indikationsgerechte Verordnung von Antibiotika.

Auch die sozialen Medien leisten in Bezug auf Überdiagnostik und Übertherapie einen Bärendienst. Sie scheinen durch die "Schnelllebigkeit" dem "Prinzip der Eminenz" Vorschub zu leisten, wo viel häufiger Evidenz von Nöten wäre. Es liegt in der Natur der Sache, dass auch Methoden, die niemals ihren Nutzen beweisen konnten, wie Homöopathie oder die "anthroposophische Medizin", durch "Erfahrungsberichte" in den sozialen Medien gehypt werden. Interessant ist dabei, dass, wenn es um das Thema Gesundheit geht, kein akademischer Bildungsgrad der mythischen Bewertung von Ideen zum eigenen Körper entgegenzustehen scheint. Niemand bezweifelt, dass ein Verbrennungsmotor einen Treibstoff braucht. Und niemand würde durch Schütteln energetisch aufgeladenes Wasser in einen Tank kippen. Hingegen wird schon alleine die Tatsache, dass ein menschlicher Organismus ebenfalls ohne Energie nicht auskommt, durch die Anwendung und Bewerbung von sogenannten anthroposophischen oder homöopathischen Mitteln ohne Zögern durch ein Schulterzucken mit einem Hinweis auf die "Komplexität des menschlichen Organismus" bei Seite geschoben. Die Physiologie und Biologie eines Lebewesens scheint in unserer Gesellschaft so wenig greifbar, dass rationale Bewertungen in Gesundheitsfragen regelmäßig zurückstehen. Das ist diskrepant zu einer eigentlich immer mehr aufklärungsbedürftigen Gesellschaft. Und es schreit nach einer neuen Berücksichtigung des Themas Gesundheit viel mehr in der Bildung, als in der Erziehung. Denn "Erziehung" war schon immer auch ein ideologischer Begriff. Während die "Bildung" eher das berücksichtigt, was wir als Grundlage vernünftiger Vermittlung von Inhalten akzeptieren: die Evidenz der Wissenschaft!

In diesem Sinne: Wissen schafft Macht. Ermächtigen wir unsere Schutzbefohlenen!